16. Nov 2023

Das geheime Leben der Arbeitszeugnisse: Wie Sie zwischen den Zeilen lesen

Arbeitszeugnisse sind weit mehr als nur ein Papier mit einer Aufzählung von Aufgaben und Tätigkeiten. Sie sind oft das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht, ob ein Bewerber für eine neue Position in Betracht gezogen wird oder nicht. Doch was verbirgt sich hinter den oftmals verschlüsselten Formulierungen und warum sind Arbeitszeugnisse in vielen Ländern so heikel?

 

Warum gibt es Arbeitszeugnisse überhaupt?

Ursprünglich waren Arbeitszeugnisse dazu gedacht, Arbeitgebern eine objektive Einschätzung eines Arbeitnehmers zu geben. Es sollte das berufliche Verhalten und die Leistung in vorherigen Anstellungen dokumentieren. Doch mit der Zeit haben sich viele rechtliche Regelungen und ungeschriebene Gesetze rund um das Arbeitszeugnis entwickelt. In manchen Ländern, wie Deutschland, haben Arbeitnehmer sogar einen gesetzlichen Anspruch darauf.

 

Zwischen den Zeilen lesen

Ein Arbeitszeugnis ist selten direkt negativ. In Ländern mit strengen Regelungen rund um Arbeitszeugnisse können sogar negative Aussagen rechtliche Folgen haben. Daher haben sich oft verschlüsselte Formulierungen entwickelt. "Er hat sich bemüht, die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen" klingt zwar positiv, ist aber weit entfernt von "Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt".

 

Schlüsselsätze und ihre Bedeutungen

Hier sind einige gängige Formulierungen und ihre wahre Bedeutung:

„Er war stets bemüht…“: Der Arbeitnehmer hat sich angestrengt, aber oft ohne Erfolg.

„Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit erledigt“: Eine durchschnittliche Leistung. Nicht schlecht, aber auch nicht herausragend.

„Er hat uns stets mit seiner freundlichen Art erfreut“: Oft ein Hinweis darauf, dass die fachlichen Qualitäten nicht überzeugend waren, der Mitarbeiter aber zumindest nett war.

 

Ist ein Arbeitszeugnis immer notwendig?

In manchen Branchen und Ländern sind Arbeitszeugnisse weniger wichtig als in anderen. In der IT-Branche beispielsweise sind oft praktische Fähigkeiten und Projekterfahrungen wichtiger als ein Arbeitszeugnis. Dennoch kann ein gutes Arbeitszeugnis Türen öffnen und den entscheidenden Unterschied bei der Bewerbung machen.

 

Tipps für Arbeitnehmer

Rechtzeitig anfordern: Warten Sie nicht bis zum letzten Arbeitstag, um Ihr Arbeitszeugnis anzufordern.

Feedback geben: Wenn Ihnen Formulierungen unklar sind oder Sie mit bestimmten Passagen nicht einverstanden sind, sprechen Sie das beim Arbeitgeber an.

Professionelle Hilfe nutzen: Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten kann ein Rechtsanwalt oder ein spezialisiertes Beratungsunternehmen helfen.

 

Das Arbeitszeugnis ist ein Dokument voller Geheimnisse und versteckter Botschaften. Doch mit etwas Know-how und Aufmerksamkeit können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer dieses mächtige Werkzeug optimal nutzen. Es lohnt sich also, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und das Arbeitszeugnis nicht nur als lästige Pflicht, sondern als Chance zu sehen.